Produktmanagement: Mit agilen Methoden zur besseren Produktentwicklung?

Produktmanager sind gewissermaßen Unternehmer innerhalb ihres Unternehmens. Sie müssen den Markt kennen und verstehen und darin Produkte platzieren, die sie profitabel steuern und über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg weiterentwickeln. Dabei agieren sie immer sowohl operativ als auch strategisch. Zudem sollten sie über den Tellerrand blicken, Trends und neue Segmente erfassen. Besonders in umkämpften Märkten führt der Weg zum Bestseller häufig über Innovationen. Ein entscheidender Punkt bei alldem: Wenn Produktmanager erfolgreich sein wollen, müssen sie immer den Kunden und seine wechselnden Bedürfnisse in den Fokus rücken. Entsprechend viel Flexibilität und Dynamik erfordert modernes Produktmanagement.

Wenn nun kundenfokussiert und flexibel gedacht und gearbeitet werden soll, liegt es nahe, sich mit agilen Werten, Prinzipien und Methoden zu beschäftigen. Schließlich sind Elemente wie Kunden- und Nutzenzentrierung, Feedbackschleifen und kurzfristige Änderungen in agilen Konzepten fest verankert. Auch Innovationen, neue Produkte und Services sollen sich mit Scrum, Design Thinking oder Lean Startup leichter und zielgenauer entwickeln lassen. Aber ist Agilität für die Aufgaben des Produktmanagers wirklich geeignet? Und unter welchen Umständen führt sie zum Erfolg?

Bereit zum Kulturwandel

Die Frage, ob sich agile Methoden als Problemlöser für das Produktmanagement eignen, ist nicht mit einem „Ja“ oder einem „Nein“ zu beantworten. Zunächst einmal sollten agile Vorgehensweisen zum Unternehmen und seiner unternehmerischen Kultur passen. Ein Management, das sich nicht auf kurze, flexible Genehmigungszyklen einlassen und Freigaben dynamisch erteilen mag, wird sich auch mit agilem Produktmanagement schwertun. Um durch Agilität zu punkten, ist es entscheidend, dass viel Verantwortung an Projektteams abgegeben wird – auch wenn die hierarchische Position der Teammitglieder unterhalb der Leitungsebene angesiedelt ist. Führung und Autorität definieren sich in diesen Teams allein durch die team-interne Rolle und die fachliche Eignung.

Auch die recht verbreitete Angstkultur in den Unternehmen behindert agiles Vorgehen. Denn zur Agilität gehört es, möglichst zügig erste nutzbare Produkteversionen zu erreichen. Fehler und die folgenden Korrekturen sind dabei kein Makel, sondern eine willkommene Gelegenheit, zu lernen und die Qualität kleinschrittig zu verbessern. Wer in agilen Projekten eine Fehlentscheidung trifft, duckt sich nicht weg, weil er Ärger befürchtet, sondern kommuniziert offen darüber und sucht im Team nach Lösungen.

Falls das Unternehmen als Ganzes nicht bereit ist, sich auf Agilität einzustellen, kann eine Kultur der zwei Geschwindigkeiten zum erfolgreichen Modell werden. Darin behält die Gesamtorganisation ihre klassischen Strukturen, schafft aber innerhalb einzelner Bereiche, Abteilungen oder Projekte eine agile Blase, die sich in dynamischen Methoden probiert. Da diese Blase aber nicht im luftleeren Raum, sondern innerhalb des Unternehmens existiert, funktioniert sie nur, wenn sie wirklich frei und selbstbestimmt arbeiten kann – bis zum reifen Produkt und dessen weiteren Lebenszyklus.

Die passende Methode zum passenden Produkt

Nicht nur die Unternehmenskultur oder unflexible Strukturen schränken den Einsatz von agilen Methoden ein. Obendrein gibt es auch Produkte und Segmente, die sich besser oder schlechter eignen. Grundsätzlich sind eher solche Produkte fit für agile Vorgehensweisen, die keine oder wenige Schnittstellen zu anderen Bereichen, Produktgruppen, Zulieferern oder zu strikten Rechtsvorschriften haben. Demnach fügt sich die Entwicklung eines neuartigen Luftbefeuchters deutlich leichter in agile Konzepte ein als die eines Autos. Das Auto ist nicht nur als Produkt extrem komplex, sondern auch in seinen Abhängigkeiten. Immer gilt: Wo Schnittstellen und Abhängigkeiten unvermeidbar sind, sollten sie sich zumindest klar definieren lassen und möglichst dauerhaft sein.

Wenig überraschend ist, dass sich viele digitale Produkte gut mit Agilität verstehen. Das liegt zum einen daran, dass Software und digitale Services extrem leicht anpassbar und veränderbar sind. Taucht irgendwo ein Problem auf oder gibt es eine Änderung in den Anforderungen, ist die Software schnell modifiziert. Außerdem lassen sich mit relativ geringem Aufwand digitale Prototypen entwickeln. Das kommt innovationsfreudigen Kreativtechniken wie dem Design Thinking entgegen, bei dem Kunden kontinuierlich – und schon an sehr frühen Prototypen – testen und dieses Feedback unmittelbar in die weitere Entwicklung einfließt. Die realen Kundenbedürfnisse lassen sich so bestens ermitteln und bedienen.

Vom Produktmanager zum Product-Owner

Ein weiterer Faktor für den erfolgreichen Einsatz von agilen Methoden ist der agile Reifegrad von Mitarbeitern, Führungskräften und dem Management. Im klassischen Profil von Produktmanagern ist ein Querschnitt typischer Managementeigenschaften gefragt. Zum Beispiel sollten sie Analysefähigkeit mitbringen, planen, organisieren und präsentieren können, verhandlungs- und durchsetzungsstark sein sowie Mitarbeiter führen und entwickeln. In die klassische Produktenwicklung passt sich dieses Anforderungsprofil nahtlos ein. Und auch im agilen Umfeld behalten diese Eigenschaften ihren Wert – allerdings sollten sie um Soft Skills ergänzt werden.

Denn bei agilen Projekten übernimmt der Produktmanager die Rolle des Product Owners. Dieser vertritt die Interessen aller Stakeholder außerhalb des Entwicklungsteams, beispielsweise der Kunden und des Managements. Er kanalisiert die Kundenwünsche und definiert daraus die anvisierten Produkteigenschaften. Er priorisiert die anstehenden Aufgaben und kontrolliert den Arbeitsfortschritt. Und obwohl er eine so zentrale Position einnimmt, ist ein Produktmanager in der Rolle des Product Owners kein Teamleiter mit Weisungsbefugnissen.